Strasbourg ist 2024 Unesco Welthauptstadt des Buches.
Ein willkommener Vorwand, die edelsten Büchertempel des Elsass aufzusuchen.
In Zeiten des digitalen Wandels mag es sonderbar vorkommen, das Buch in den Himmel zu rühmen. Dennoch symbolisiert der Schmöker immer noch den Schlüssel zum Wissen. Strasbourg selbst spielte in der Erfindung des Buchdrucks durch Gutenberg eine wichtige Rolle. Denn der Meister selbst weilte rund zehn Jahre in der Stadt und tüftelte vermutlich intensiv an seiner Erfindung, die er später in Mainz in die Perfektion brachte. Ebenso mangelt es im Elsass nicht an Bibliotheken mit kostbaren Beständen. Ob Handschriften, Inkunabeln oder seltene Originalexemplare – das Elsass ist eine Schatzkiste für Liebhaber alter Schriften. Strasbourg lädt bis in den April 2025 mit einer Reihe an Veranstaltungen ein. Sélestat und Colmar locken die Besucher mit reizvollen Abstechern zum Thema.
Strasbourg: Unesco Welthauptstadt des Buches 2024
Im April 2022 reichte die Stadt Strasbourg die Bewerbung für die Ernennung zur UNESCO-Welthauptstadt des Buches 2024 ein. Von 10 Städten, die an diesem internationalen Wettbewerb teilnahmen, wurde Strasbourg als Nachfolgerin von Accra, Hauptstadt von Ghana, zur Weltbuchhauptstadt der UNESCO 2024 ernannt. Der Titel wird jeweils für ein Jahr verliehen und geht an Städte, die Bücher und das Lesen in besonderem Maße fördern. Hier greift die Stadt nicht nur auf ihre historische Bedeutung in Bezug auf den Buchdruck und dessen Hinterlassenschaften zurück. Heute beruht die lebendige Buchbranche in Straßburg auf dem Wirken von 40 Verlagshäusern, 25 Buchhandlungen und einem Netz aus 59 öffentlichen Bibliotheken. Zahlreiche dem Buche gewidmete Veranstaltungen wie das Literaturfestival „Bibliothèques Idéales“ oder die „Rencontres de l’Illustration“ ziehen jährlich über 35.000 Leseratten an. Vom 23. April 2024 bis 22. April 2025 finden in allen Stadtvierteln über 200 Aktionen rund um das Buch und das Lesen in all seinen Formen statt.
Mehr Infos: https://lirenotremonde.strasbourg.eu/de/
Schlaraffenland für Buchwürmer
Die bedeutendste Dokumentensammlung des Elsass finden Leseratten in der „Bibliothèque national et universitaire de Strasbourg“. Ihren Anfang begründete der Donaueschinger Hofbibliothekar, Karl August Barack, mit einem Aufruf zu Bücherspenden nach der Zerstörung der alten Bibliothek im Deutsch-Französischen Krieg. Das deutsche Kaiserreich förderte die neue Bibliothek massiv. Einerseits baute man das heutige Gebäude in der Neustadt, andererseits erlaubte der hohe Erwerbungsetat, dass schon anno 1913 die Bestände die Millionengrenze überschritten. Die „BNU Strasbourg“ ist heute mit über drei Millionen Medieneinheiten die zweitgrößte Sammlung Frankreichs nach der Nationalbibliothek in Paris. Beachtenswert sind die Sondersammlungen mit rund 6.900 Handschriften sowie 2.098 Inkunabeln, die teils aus Straßburger Offizinen stammen. Sogar ein spätmittelalterlicher Bestseller offenbart sich den Besucher dort im Original: Das Narrenschiff von Sebastian Brandt, das dieses Jahr den 530. Geburtstag seines Erstdruckes zu Basel feiert und kaum an Aktualität eingebüßt hat. Auf Anfrage kann man diese historischen Schätze aus der Nähe betrachten.
Mehr Infos – https://www.visit.alsace/de/237000371-bibliotheque-nationale-et-universitaire-de-strasbourg/
Alte Letter in moderner Architektur
Wer sich für alte Schriften interessiert, darf keinesfalls die humanistische Bibliothek von Sélestat auslassen. Seit 2011 im Unesco Weltdokumentenerbe hält sie eine bedeutende Sammlung an Manuskripten und Drucken aus dem 15. & 16. Jahrhundert. Die Bibliothek erwuchs aus der Lateinschule der Renaissance, als Sélestat noch „Schlettstadt“ hieß. Die freie Reichsstadt genoss den Ruf einer berühmten Ausbildungsstätte des Heiligen Römischen Reichs. Der Bestand füllte sich vor allem aus zahlreichen Nachlässen und Schenkungen von Lehrern und Schülern. Das größte Konvolut umfasst über 500 Bücher und ist die Privatbibliothek des Humanisten Beatus Rhenanus. Er war selbst Schüler der Lateinschule und Bürger von Sélestat. Bedeutende Exponate sind zudem das älteste erhaltene Buch des Elsass, ein merowingisches Lektionar des 7. Jahrhunderts oder das Schulheft von Beatus Rhenanus. Aus einem Eintrag in einem Rechnungsbuch von anno 1521 geht Sélestat auch als Geburtsort des Weihnachtsbaums hervor. Besucher sind allerdings schon vom Gebäude des Stararchitekten Rudy Riciotti gebannt. Es lohnt sich daher, die thematisch geführten Besichtigungen mitzumachen.
Mehr Infos – https://www.visit.alsace/de/222006668-die-humanistische-bibliothek/
Europäisch bedeutendes Bücherzentrum
Kunstliebhaber werden den Besuch des Unterlinden-Museums kaum auslassen. Weniger bekannt ist stattdessen die „Bibliothèque des Dominicains“, die selbst im Dominikanerkloster beherbergt ist und nur ein paar Schritte entfernt liegt. Sie ist quasi die Schatzkiste der Stadtbibliothek mit einer Sammlung von etwa 400.000 Medieneinheiten. Darunter finden sich ca. 1.200 Manuskripte, 2.300 Inkunabeln, rund 100.000 Bücher aus dem 16. Jahrhundert oder sogar ein Exemplar der Mentelin-Bibel, von denen es nur drei in Frankreich gibt. Um vor allem dem Bestand mehr Bedeutung zu verleihen, hat Colmar das Projekt lanciert, ein europäisches Zentrum des Buchs und der Illustration einzurichten. 2022 eröffnete die neu eingerichtete Bibliothek mit Museumsparcours. Auf 500 Quadratmetern werden im Wechsel jeweils 92 Exponate ausgestellt, die dem Besucher den Werdegang von Buch und Illustration im Elsass vom Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert schildert. Der Parcours ist dabei dreisprachig ausgeschildert und außerdem gibt es ausgesprochen viele deutschsprachige Exponate zu sehen. Der Zugang ist übrigens für alle kostenlos.
Mehr Infos – https://www.visit.alsace/de/235007914-dominikaner-archivbibliothek-und-museum/